Nachhaltigkeitsregulierung: „Prinzip Hoffnung wird nicht helfen“

22.11.2024 – Nachhaltigkeit ist für österreichische Unternehmen trotz aller Turbulenzen konstant wichtig. Allerdings fehlt es oft an Strategien und Zielen, häufig werden nur einzelne Maßnahmen umgesetzt. Hoffnungen, dass Regulierungen nicht kommen werden, seien fehl am Platz, so Deloitte: Die Anforderungen seien gekommen, um zu bleiben.

WERBUNG
Deloitte-Pressekonferenz Sustainability Check 2024 (Bild: VJ)
Deloitte-Pressekonferenz „Sustainability Check 2024“ (v.l.n.r.): Alfred Ripka, Christoph Obermair, Karin Mair (alle Deloitte) und Marktforscher Christoph Hofinger (Bild: VJ)

Auch in diesem Jahr hat die Unternehmensberatung Deloitte für ihren „Sustainability Check“ Einstellung und Maßnahmen heimischer Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit erheben lassen.

Das Marktforschungsinstitut Foresight Research Hofinger GmbH hat dazu im August und September 401 österreichische Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern in Telefoninterviews befragt. Die Studie sei repräsentativ für diesen Teil der Unternehmen hierzulande, so Geschäftsführer Christoph Hofinger.

Trotz der Herausforderungen in den letzten fünf Jahren und der „politischen Achterbahnfahrten“ sei in Bezug zur Nachhaltigkeit bei den Firmen Konstanz festzustellen. Es gebe hier eine ziemlich klare Linie, das Thema Nachhaltigkeit verschwinde nicht, wenn andere Themen in den Vordergrund rücken.

„Ein gutes Stück Arbeit vor uns“

Unternehmen würden die Verantwortung bei sich sehen und das Thema anerkennen, betont Karin Mair, Managing Partnerin Risk Advisory and Financial Advisory bei Deloitte Österreich. 86 Prozent der Befragten seien der Meinung, dass Nachhaltigkeit für ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit wichtig ist.

Dafür gebe es auch Gründe: Fast die Hälfte der Befragten Unternehmen sieht ihr operatives Geschäft schon heute vom Klimawandel betroffen, mehr als 50 Prozent gehen davon aus, dass der Klimawandel große Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell hat.

„Trotzdem hinken die Unternehmen bei der Umsetzung nach“, sagt Mair. Viele Betriebe würden Einzelmaßnahmen setzen, es fehle aber an einer strategischen Verankerung und klar definierten Nachhaltigkeitszielen: „Hier haben wir noch ein gutes Stück Arbeit vor uns.“

Noch nicht im Kerngeschäft angekommen

Unternehmen würden das Thema „mehr ganzheitlich“ sehen als in der Vergangenheit, ergänzt Christoph Obermair, Partner und Sustainability Leader bei Deloitte Österreich. Und insgesamt habe das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen.

Unterschiede gebe es zwischen Unternehmen, die nach CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) berichtspflichtig sind (kapitalmarktorientierte und große Unternehmen), und nicht von der CSRD betroffenen Firmen.

Für letztere hätten Kreislaufwirtschaft und Lieferketten höchste Priorität, soziale Themen (Gerechtigkeit, Diversität) hätten stark zugelegt. Für CSRD-berichtspflichtige Unternehmen stehe dagegen Dekarbonisierung an erster Stelle, was offensichtlich mit den Anforderungen an sie zu tun habe.

Mit ein Grund für die große Bedeutung der Nachhaltigkeit sei der kundenseitige Druck, so Obermair. Nachhaltigkeit sei kein Selbstzweck, dennoch sei sie noch nicht vollinhaltlich im Kerngeschäft angekommen, bestätigt Obermair. Dies gelte insbesondere auch für die Lieferketten-Verordnung.

Nachhaltigkeitsberichte: die Zeit drängt

Eine positive Überraschung habe die Studie bezüglich der Akzeptanz der Nachhaltigkeitsberichterstattung geliefert, so Alfred Ripka, Partner und ESG-Experte bei Deloitte Österreich.

Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen stünden der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung positiv oder überwiegend positiv gegenüber, was eine hohe Zustimmung in Österreich signalisiere.

Zwar sei die CSRD ab 2024 von kapitalmarktorientierten und ab 2025 von weiteren großen Kapitalgesellschaften – hierzulande rund 1.800 bis 2.000 – anzuwenden, die Umsetzung in nationales Recht sei bisher aber noch nicht erfolgt. Hier müsse die nächste Regierung schnell handeln, so Ripka.

Nur 18 Prozent der Unternehmen hätten bisher ihre Vorbereitung auf die CSRD abgeschlossen, rund 25 Prozent würden nicht wissen, ob sie überhaupt unter die Richtlinie fallen. Es bestehe die Gefahr, dass viele Unternehmen eine rechtzeitige Umsetzung nicht mehr schaffen.

Anforderungen werden bleiben

Was Unternehmen jetzt benötigen, um eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, seien klare politische Rahmenbedingungen, betont Mair. Denn die Anforderungen seien gekommen, um zu bleiben: „Das Prinzip Hoffnung wird uns nicht helfen!“

Wichtig sei es, dass Förderungen nachvollziehbar und entbürokratisiert zur Verfügung stehen. Dies, damit alle Unternehmen, insbesondere aber KMU, Zugang zur bestehenden Förderlandschaft haben. Es gehe darum, die kleinen Unternehmen nicht zu vergessen, sagt Mair.

KMU seien ja das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, Vergaben von Aufträgen erfolgen hierzulande oft kleinteilig, gleichzeitig seien sie aber nicht in der Lage, „mehrere Compliance-Manager aufzustellen“.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Marktforschung · Mitarbeiter · Nachhaltigkeit · Strategie
 
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
19.12.2023 – Im zweiten Teil des Jahresrückblicks haben wir Ereignisse aus den Monaten Mai bis August im Überblick zusammengestellt. (Bild: Gerd Altmann auf Pixabay, Bearbeitung Lampert) mehr ...
 
30.11.2023 – Greco hat Unternehmen zu ihren Einschätzungen und zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken befragt. Die Ergebnisse „zeichnen ein durchwachsenes Bild“. (Bild: Greco) mehr ...
 
9.4.2021 – Einer Umfrage zufolge scheinen viele mittelständische Unternehmen in größeren Bemühungen um Nachhaltigkeit einen Profitabilitätsfaktor zu sehen. Auch nach den erwarteten Auswirkungen des Klimawandel auf das Geschäftsmodell wurde gefragt. Die Ergebnisse unterscheiden sich je nach Branche teils stark. (Bild: VJ/Lampert) mehr ...