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Dieselskandal: OGH entschied zwei strittige Fälle

11.10.2024 – Weil in den bisher vom OGH entschiedenen Fällen zum Dieselskandal der Erwerb des Fahrzeugs den Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung auslöst, ist das Zustandekommen des Kaufvertrags entscheidend für die Deckungspflicht des Versicherers. In einem zweiten Fall entschieden die Höchstrichter, dass eine Versicherungsnehmerin bei einem Leasingfahrzeug nicht schlüssig darlegen konnte, dass ein Schaden in ihrem Vermögen eingetreten ist.

Symbolfoto (Bild: Ruben de Rijcke auf Wikimedia Commons)
Symbolfoto (Bild: Ruben de Rijcke auf Wikimedia Commons)

In zwei Fällen befasste sich der Oberste Gerichtshof erneut mit Fragen der Rechtsschutzdeckung für Klagen gegen Hersteller von Diesel-Pkw, die mit einer Abgasmanipulationssoftware ausgestattet waren.

Dabei ging es im ersten Fall (OGH-Entscheidung 7Ob121/24f) um die Frage, ob der Käufer das Fahrzeug überhaupt zu den von ihm behaupteten Konditionen gekauft hat und ob daher ein Versicherungsfall vorliegt.

Im zweiten Fall (OGH-Entscheidung 7Ob75/24s) hatten die Höchstrichter die Erfolgsaussichten einer Klage zu beurteilen, in der der Kläger den Kaufpreis für ein Fahrzeug zurückforderte, das er zuvor geleast hatte.

Kauf des Fahrzeugs von der eigenen Mutter

Der Versicherungsnehmer erklärte, er habe im März 2021 mit schriftlichem Kaufvertrag von seiner Mutter einen Diesel-Multivan erworben. Er behauptet, einen Kaufpreis von 47.000 Euro dafür bezahlt zu haben, im Kaufvertrag wird der Kaufpreis aber nicht erwähnt.

Von seinem Rechtsschutzversicherer fordert er Deckung für einen Prozess gegen den Fahrzeughersteller, in dem er einen deliktischen Schadenersatzanspruch in Höhe von 30 Prozent des Kaufpreises geltend machen will.

Er hatte eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, für die die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2018) vereinbart waren.

Demnach umfasste der Versicherungsschutz unter anderem Schadenersatz-Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftungsbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen erlittener Personen-, Sach- oder Vermögensschäden.

Vorinstanzen gaben Klage statt

Das Erstgericht gab der Klage des Versicherungsnehmers statt. Versicherungsfall sei der Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger, dieser habe den Versicherungsfall schlüssig dargelegt. Ob er tatsächlich 47.000 Euro für das Fahrzeug gezahlt hat, sei im Deckungsprozess nicht zu prüfen.

Das Berufungsgericht schloss sich dieser Ansicht an und ergänzte, dass die Frage, ob der Kläger das Fahrzeug tatsächlich erworben hat, die Erfolgsaussichten im Haftpflichtprozess betreffe. Er müsse daher im Deckungsprozess nicht beweisen, dass er 47.000 Euro bezahlt hat.

Die ordentliche Revision des Versicherers wurde zur Frage zugelassen, ob die Bezahlung des Kaufpreises allenfalls doch für die Deckungsgewährung entscheidend sein könnte.

Erwerb löst Versicherungsfall aus

In seiner rechtlichen Beurteilung erklärt der OGH, dass den Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen eines Versicherungsfalles trifft. Wer eine Versicherungsleistung behauptet, müsse die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalles beweisen.

Bereits mehrfach habe der OGH zur Deckungspflicht in der Rechtsschutzversicherung für Klagen gegen Autohersteller wegen Abgasmanipulationssoftware in Diesel-Fahrzeugen festgestellt, dass der Erwerb der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer den Versicherungsfall auslöst.

Es sei daher für die Frage, ob ein Versicherungsfall während des versicherten Zeitraums eingetreten ist, von erheblicher Bedeutung, ob und wann ein Versicherungsnehmer ein Diesel-Fahrzeug erworben hat.

Zustandekommen des Kaufvertrags

Grundsätzlich seien für das Zustandekommen eines Vertrags die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die Erklärung des Abschlusswillens nötig. Bei einem Kaufvertrag genüge dafür eine Einigung über den Kaufpreis und den Kaufgegenstand.

Aufgrund der bisherigen Feststellungen könne nicht beurteilt werden, ob der Kläger das Fahrzeug am 10. März 2021 um 47.000 Euro gekauft hat.

Infolge eines rechtlichen Feststellungsmangels stehe daher der Eintritt des Versicherungsfalls als wesentliche Voraussetzung für die Deckungspflicht des Versicherers nicht fest. Der OGH hat dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Erfolgsaussichten bei Leasingfahrzeug?

Im zweiten Fall hatte eine Versicherungsnehmerin zur Finanzierung eines Fahrzeugs zunächst einen Leasingvertrag abgeschlossen; der Kaufpreis betrug ursprünglich 40.900 Euro. Nach Ablauf des Leasingvertrags hat sie das Fahrzeug in ihr Eigentum übernommen.

Vom Fahrzeughersteller will sie primär den gesamten Kaufpreis Zug um Zug gegen die Rücknahme des Wagens zurückfordern. Gegebenenfalls beabsichtigt sie, eine Wertminderung von 40 Prozent des Kaufpreises und ein Feststellungsbegehren für zukünftige Schäden geltend zu machen.

Die Versicherungsnehmerin verfügt über einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2000) zugrunde liegen.

Demnach hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Komme er zum Schluss, dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, könne er die Kostenübernahme ablehnen.

Forderung aussichtslos?

Der Versicherer lehnte die Deckung ab. Er steht auf dem Standpunkt, dass die Versicherungsnehmerin den Versicherungsfall nicht schlüssig dargelegt hat, die Forderung aussichtslos ist und der Schaden sich nicht im Vermögen der Klägerin ereignet hat.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Eine Zug-um-Zug-Abwicklung ohne Berücksichtigung des erhaltenen Nutzens sowie die Geltendmachung eines Minderwerts von 40 Prozent zusammen mit einem Feststellungsbegehren seien nicht hinreichend aussichtsreich.

Daraufhin wandte sich die Versicherungsnehmerin in einer Revision an den Obersten Gerichtshof. Dieser betonte einleitend, dass in der Rechtsschutzversicherung bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen sei.

Eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und des Ergebnisses des Haftpflichtprozesses komme im Deckungsprozess bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten nicht in Betracht.

Schaden nicht im Vermögen der Leasingnehmerin eingetreten

Wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Erfolgschancen sei die Frage, in wessen Vermögen der behauptete Schaden eingetreten ist und wer daher für die Forderung von Ersatz legitimiert ist.

Im vorliegenden Fall habe die Klägerin von Anfang an eine Leasingfinanzierung beabsichtigt; der ursprüngliche Kaufvertrag sei nur zur Spezifizierung des Leasinggegenstands abgeschlossen worden.

Wenn die Finanzierung des Erwerbs eines Fahrzeugs über einen gleichzeitig mit dem Kaufvertrag abgeschlossenen Leasingvertrag erfolgte und die Leasinggeberin in den ursprünglichen Kaufvertrag eintreten konnte, sei eine schlüssige Geltendmachung eines Schadens aus diesem Kaufvertrag zu verneinen.

Damit mangle es im vorliegenden Fall an Erfolgsaussichten, weil die Versicherungsnehmerin aufgrund der Leasingfinanzierung den in ihrem Vermögen entstandenen Schaden nicht schlüssig dargelegt hat. Die klagsabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts sei daher im Ergebnis zutreffend.

Die Entscheidungen im Volltext

Die OGH-Entscheidungen 7Ob121/24f und 7Ob75/24s vom 28. August 2024 sind im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Leasing · Pkw · Rechtsschutz · Vermögensschaden
 
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