15.3.2023 – Beim Ziehen eines Einkaufswagens hatte ein Benützer einer Tiefgarage seinen Blick nicht in Gehrichtung gerichtet. Er stürzte über eine nicht abgedeckte Verdunstungsrinne und verletzte sich. Eine Verschuldensteilung im Verhältnis eins zu eins sei angemessen, weil die Rinne nicht überall mit einem Metallgitter abgedeckt war und damit zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen wurden, so der Oberste Gerichtshof.
In der Tiefgarage eines Hauses verläuft eine 18 bis 20 cm breite und drei bis sechs Zentimeter tiefe „Verdunstungsrinne“ (Entwässerungsrinne ohne Ablauf). In Bereichen, in denen diese von der Wand entfernt verläuft, war sie mit einem Metallgitter abgedeckt.
Der an der Wand verlaufende Teil war dagegen offen, nicht abgesichert und auch nicht gekennzeichnet. Ein Garagenbenützer, der beim Ziehen seines Einkaufswagens nicht in Gehrichtung und damit nicht auf den Boden vor ihm blickte, stürzte und verletzte sich.
Vom Mehrheitseigentümer des Gebäudes fordert er in einer Klage Schadenersatz in Höhe von knapp mehr als 10.000 Euro. Das Berufungsgericht war von einer Schuldteilung im Verhältnis eins zu eins ausgegangen, dagegen richtete sich die Revision des Hausbesitzers beim Obersten Gerichtshof (OGH).
Der Halter eines Weges haftet nach § 1319a Abs. 1 Satz 1 ABGB, wenn durch dessen mangelhaften Zustand Schäden verursacht werden und dem Halter oder seinen Leuten grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen sind, betont der OGH einleitend in seiner rechtlichen Beurteilung.
Allgemeine, generelle Aussagen über das gerade noch tolerierbare Ausmaß von Bodenunebenheiten könnten nicht getroffen werden. Grobe Fahrlässigkeit sei aber dann anzunehmen, wenn der Halter eines Weges die Gefährlichkeit einer bestimmten Stelle kannte und eine zumutbare Behebung unterließ.
Ob ein Weg mangelhaft ist, stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit den konkreten Verkehrsbedürfnissen einerseits und der objektiven Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen andererseits.
Nach der Rechtsprechung könne von jedem Fußgänger verlangt werden, vor die eigenen Füße zu schauen, so der OGH. Dies habe der Kläger nicht getan, weshalb das Berufungsgericht dies nicht mehr strittig als gleichteiliges Mitverschulden am Sturz gewertet habe.
Der Argumentation des beklagten Hauseigentümers, dass es bis zum Unfallereignis jährliche Begutachtungen und keine behördlichen Beanstandungen gegeben habe, hält der OGH entgegen, dass dies allein nicht die Notwendigkeit einfacher Sicherungsmaßnahmen in Zweifel ziehen könne.
Es gebe keinen plausiblen Grund dafür, warum die an anderer Stelle vorhandene Abdeckung mit einem Metallgitter nicht im gesamten Verlauf der Rinne vorhanden war. In Anbetracht der Ausmaße der für den Sturz ursächlichen Rinne sei dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Nur weil es bisher keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einem genau vergleichbaren Sachverhalt gab, liege noch keine erhebliche Rechtsfrage vor, so der OGH. Die Revision wurde daher als nicht zulässig zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 3Ob205/22a vom 2. Februar 2023 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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