12.11.2025 – Auf dem Vordruck stand eine Leistung „ab 1 %“ Dauerinvalidität, händisch war dies mit „20 %“ überschrieben worden. In der Polizze waren die handschriftlichen Vermerke übernommen worden. Die Gerichte befanden, dass der Vertrag mit einer Leistung ab 20 Prozent zustande gekommen ist. Der OGH hatte an dieser Bewertung nichts zu beanstanden.

Die Gerichte und letzten Endes der Oberste Gerichtshof (OGH) hatten jüngst mit einem Streit um die Auslegung eines Versicherungsvertrags zu tun.
Konkret ging es in der Klage des Versicherungsnehmers um den Antrag für eine Unfallversicherung und den daraufhin vom Versicherer ausgestellten Versicherungsschein.
Im Antrag wurde der Punkt „Dauernde Invalidität“ angekreuzt, unter anderem wurde auch der Vordruck „ab 1 %“ handschriftlich mit „20 %“ überschrieben.
Weiters angekreuzt wurden die Punkte „Unfalltod“ und „Unfallkosten“. Zudem wurde im Antrag handschriftlich „€ 350.000 (Progression auf € 1.050.000)“, „€ 100.000“ und „€ 15.000“ und „€ 355“ festgehalten, wie es im OGH-Urteil heißt.
In der Polizze sind die letztgenannten handschriftlichen Vermerke enthalten. Als Jahresprämie sind 355 Euro vermerkt.
Zum Deckungsumfang wird auf „Beilage B00“ verwiesen. Bei den Vertragsgrundlagen wird „B00 Polizzenbeilage“ neben, unter anderem, „41C – Besondere Bedingung zur Unfallversicherung für Ärzte und Heilnebenberufler 'Plus'“ und „55V – Allgemeine Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB)“ angeführt.
Die Vorinstanzen waren der Ansicht: Der Versicherungsvertrag ist mit einer Vereinbarung einer Versicherungsleistung für dauernde Invalidität erst ab einem Invaliditätsgrad von 20 Prozent („ab 20 %“) zustande gekommen.
Denn die Vertragsannahmeerklärung des Versicherers habe durch Übermittlung der Polizze nach der Vertrauenstheorie von einem redlichen Erklärungsempfänger nur so verstanden werden können.
Der OGH befand dazu: Auch wenn in der Bedingung 41C sowie den AUVB keine Einschränkung enthalten ist und der Inhalt der Beilage B00 nicht festgestellt werden konnte, so erweise sich diese Ansicht „jedenfalls nicht als ein von allgemein anerkannten Regeln der Vertragsauslegung abweichendes Ergebnis“.
Der OGH hielt fest, dass Versicherungsvertrag grundsätzlich formfrei sei und auch schlüssig oder mündlich abgeschlossen oder geändert werden könne. Er komme grundsätzlich durch das Anbot und dessen Annahme zustande.
„Geht dem Versicherungsnehmer die Polizze zu, liegt darin eine wirksame (konkludente) Annahme des Versicherungsantrags und gleichzeitig die Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags“, so der OGH.
Im Ergebnis wies das Höchstgericht die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück.
Die OGH-Entscheidung 7Ob107/25y vom 22. Oktober 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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