7.3.2025 – Notwendig dafür, dass ein Erdrutsch vorliegt, sei eine visuell bemerkbare Abwärtsbewegung an einem Hang, erklären die Höchstrichter. Eine unbemerkt unter der Erde stattfindende Bewegung sei daher nicht vom Versicherungsschutz umfasst, der Versicherer ist leistungsfrei.
Im Wohngebäude des M. zeigten sich nach einem Starkregenereignis im Jahr 2018 erste Anzeichen von Rissbildung. Inzwischen gibt es nicht nur auf dieser Liegenschaft, sondern im gesamten Ortsgebiet massive Risse und Schäden.
Ursache dafür sind langsam verlaufende Bewegungen ohne ausgeprägte Gleitflächen mit Bewegungsraten von wenigen Millimetern bis Zentimetern pro Jahr als Folge einer bruchlosen, plastischen Verformung des Untergrundes
Von seinem Eigenheimversicherer fordert M. Deckung der Schäden. Diese seien an seinem Wohngebäude durch Erdbewegungen verursacht worden, die im Sinne der Versicherungsbedingungen als Erdrutsch anzusehen sind.
Der Versicherer lehnte eine Leistung ab; die Erdbewegungen, die zur Setzung des Gebäudes geführt haben, seien kein Erdrutsch im Sinn der Versicherungsbedingungen.
M. verfügt über einen Eigenheim-Versicherungsvertrag. Dieser beinhaltet eine Sturmversicherung, die auch das Risiko eines Erdrutsches abdeckt. Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB-P 2016).
Als Erdrutsch wird in den Bedingungen eine „naturbedingte Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen auf einer unter der natürlichen Oberfläche liegenden Gleitbahn“ definiert.
Als versichert gelten unter anderem Schäden, die durch unmittelbare Einwirkung von Erdrutsch entstehen. Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind dagegen Schäden durch Bodensetzung.
Nach der Ablehnung durch den Versicherer reichte M. Klage ein. Das Erstgericht gab dieser mit der Begründung statt, dass die Schäden am Wohnhaus des Klägers durch einen Erdrutsch im Sinn der Versicherungsbedingungen verursacht wurden.
Das Berufungsgericht wies die Klage dagegen ab. Eine derart langsame und geringfügige Bewegung des Untergrundes sei nicht unter den Begriff des Erdrutsches in den Versicherungsbedingungen zu subsumieren.
M. wandte sich daraufhin in einer ordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof; diese wurde zur Auslegung des Begriffes Erdrutsch in den hier maßgeblichen Bedingungen zugelassen.
In seiner rechtlichen Beurteilung geht des OGH einleitend auf die primäre Risikoumschreibung in den hier vorliegenden Bedingungen ein. Unter diese würden Schäden fallen, die durch die unmittelbare Einwirkung eines Erdrutsches entstehen.
Das Höchstgericht habe sich bereits mehrfach mit der Definition eines Erdrutsches beschäftigt; auch gebe es mehrfach Stellungnahmen zum Begriff des Erdrutsches in der österreichischen und deutschen Literatur. Weiters zitiert der OGH eine Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs.
Aus Stellungnahmen der österreichischen Literatur lasse sich ableiten, dass ein Erdrutsch von einer gewissen Dynamik gekennzeichnet sein muss. Diese könne zwar sehr langsam sein, müsse aber zumindest visuell bemerkbar sein.
Jedenfalls seien für die Definition des Begriffs Erdrutsch in erster Linie die Formulierung in der Bedingung und deren Verständnis aus Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers relevant.
Unter einer naturbedingten Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen werde ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer schon allein aufgrund der „plastischen Umschreibung“ einen sinnlich wahrnehmbaren Vorgang verstehen, so der OGH.
Auf ganz langsame Bewegungen des Erdreichs, die aufgrund ihres geringen Tempos mit freiem Auge nicht als Abwärtsbewegung wahrnehmbar sind und darüber hinaus unter der Erde stattfinden, treffe diese Beschreibung dagegen nicht zu.
Kriechbewegungen von wenigen Millimetern im Erdreich seien daher für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer kein Erdrutsch im Sinn einer „naturbedingten Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen auf einer unter der natürlichen Oberfläche liegenden Gleitbahn“.
Notwendiges Element für das Vorliegen eines Erdrutsches sei damit eine visuell bemerkbare und nicht bloß durch Messgeräte feststellbare Rutschung, so der OGH. Dafür spreche auch die vom Berufungsgericht herangezogene Definition des Begriffs Erdrutsch.
Dieses hatte einen Erdrutsch als plötzliche Abwärtsbewegung großer Erdmassen an einem Hang definiert. Auch wenn man, wie es der Kläger fordert, den Begriff des Plötzlichen außer Acht lasse, so bleibe doch die Abwärtsbewegung an einem Hang.
Dies sei mit einer unbemerkt unter der Erde stattfindenden Bewegung nicht vereinbar. Die hier stattgefundenen Kriechbewegungen erfüllen daher nicht die primäre Risikoumschreibung eines Erdrutsches als versicherte Gefahr; auf den Risikoausschluss einer Bodensenkung komme es nicht an.
Der Revision des Versicherungsnehmers wurde vom OGH nicht Folge gegeben.
Die OGH-Entscheidung 7Ob189/24f vom 29. Jänner 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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