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Pfusch am Bau: Drei Versicherungen, keine zahlt

22.10.2024 – Weil die Feuchtigkeitsschäden erst Jahre nach Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrags auftraten, besteht keine Leistungspflicht des Versicherers, so der OGH. Auch aus der Bauwesenversicherung besteht keine Deckung. Was die Leitungswasserversicherung betrifft, müsse das Erstgericht noch feststellen, ob Schäden durch Grundfeuchte oder eine beschädigte Rohrleitung entstanden sind.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

P.V. ließ im Jahr 2014 von einer Baugesellschaft ein unterkellertes Kleingartenhaus errichten. Im Dezember 2018 kam es während eines Niederschlags durch einen Lichtschacht zu einem Wassereintritt in die als Wohnkeller genutzten Räume.

Der Hausbesitzer beauftragte daraufhin ein Unternehmen mit Trocknungsmaßnahmen; diese führten aber nicht zum gewünschten Erfolg. 2019 stellte sich dann heraus, dass die Gartenwasserleitung aufgrund eines Rohrleitungsbruchs undicht war.

In weiterer Folge wurde in einem gerichtlichen Sachverständigengutachten festgestellt, dass die Kellerisolierung undicht ist, was bereits bei Übergabe des Gebäudes durch das Bauunternehmern der Fall war.

Durch die mangelhafte Abdichtung drängt Wasser an das Gebäude heran, was im Lauf der Zeit zu Schimmelbildung an den Kellerwänden und an Gegenständen im Keller führte. Der nach wie vor vorhandene Wasserschaden ist nicht mehr auf die defekte Gartenwasserleitung zurückzuführen.

Drei Versicherungsverträge

Das Bauunternehmen hatte eine Betriebshaftpflicht- und Produkthaftpflichtversicherung abgeschlossen; nach den Bedingungen war Versicherungsschutz gegeben, wenn ein Schadenereignis während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes eintritt.

Nachdem über das Vermögen des Bauunternehmens der Konkurs eröffnet worden war, wurde die Betriebshaftpflichtversicherung am 4.2.2015 storniert.

Der Hausbesitzer hatte beim selben Versicherer eine Bauwesenversicherung mit Laufzeit bis 10.10.2016 abgeschlossen; der Versicherer buchte Prämien allerdings bis November 2020 ab. Am 24.11.2020 forderte der Versicherungsnehmer die Rückzahlung der Prämien, der Versicherer stornierte den Vertrag per 10.10.2018.

Ebenfalls beim selben Versicherer hat der Versicherungsnehmer eine Eigenheimversicherung abgeschlossen, die auch eine Leitungswasserversicherung enthält.

Versicherungsnehmer fordert fast 180.000 Euro

Von der Baufirma forderte der Hausbesitzer in einer Klage Schadenersatz in Höhe von mehr als 170.000 Euro. Nach einem rechtskräftigen Versäumungsurteil wurde ihm die Pfändung des Anspruchs des Bauunternehmens gegen dessen Haftpflichtversicherer bewilligt.

Vom Versicherer begehrt er nun insgesamt fast 180.000 Euro für Kosten der Trockenlegung, Schäden am Inventar, Gutachten und Kosten des Haftpflichtprozesses sowie Feststellung der Haftung für künftige Kosten im Zusammenhang mit der Sanierung des Kellers.

Er erklärt, der Versicherer sei aus allen drei Versicherungen leistungspflichtig; die Bauwesenversicherung sei nach wie vor aufrecht, die letzte Prämie sei im November 2020 abgebucht worden.

Versicherer lehnt Deckung ab

Der Versicherer lehnte eine Deckung ab. Es bestehe keine Leistungspflicht aus der Haftpflichtversicherung des Bauunternehmens, da die Schäden erst lange nach Ende des Versicherungsschutzes aufgetreten seien.

Was die Bauwesenversicherung betrifft, habe der Versicherungsnehmer keine Schadensmeldung erstattet und damit eine Obliegenheitsverletzung begangen; außerdem habe Versicherungsschutz nur bis zum 10.10.2016 bestanden.

Schließlich bestehe auch keine Leistungspflicht aus der Leitungswasserschadenversicherung, weil nicht Leitungswasser, sondern Niederschlagswasser eingetreten sei.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen

Erst- und Berufungsgericht kamen zum Schluss, dass dem Hauseigentümer aus der Betriebshaftpflichtversicherung des Bauunternehmens keine Leistung zustehe, da die Schäden zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem kein Versicherungsschutz mehr bestand.

Zur Bauwesenversicherung erklärten die Vorinstanzen, dass die Versicherungsdauer mit 10.10.2016 begrenzt gewesen sei; dass der Versicherer darüber hinaus Prämien eingezogen habe, führe nicht dazu, dass die ursprüngliche Versicherungszeit verlängert wurde.

In Bezug auf die Leitungswasserschadenversicherung erklärte das Erstgericht, es habe nicht geklärt werden können, ob die Schäden auf die beschädigte Gartenwasserleitung oder auf die Grundfeuchte zurückzuführen seien; es sprach dem Versicherungsnehmer einen Teilbetrag zu.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung ab und wies die Klage zurück. Da hier eine versicherte Ursache (Leitungswasser) mit einer ausgeschlossenen Ursache (Grundwasser) zusammenfalle, bestehe in der Eigenheimversicherung keine Leistungspflicht des Versicherers.

Schadenereignis ist Versicherungsfall

Daraufhin legte der Hausbesitzer Revision beim Obersten Gerichtshof ein. Dieser erklärt einleitend, dass in der Haftpflichtversicherung der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer einen Befreiungsanspruch hat, der ihn vor den Folgen der Inanspruchnahme durch einen geschädigten Dritten schützen soll.

Im vorliegenden Fall habe der Hausbesitzer gegen das Bauunternehmen durch dessen Untätigkeit ein Versäumungsurteil erwirkt; er habe damit dessen Deckungsanspruch als Versicherungsnehmer erworben und ist in die Rechtsstellung des Bauunternehmens eingetreten.

Zu unterscheiden sei zwischen dem Verstoß, dem haftungsrelevanten Verhalten des Versicherungsnehmers, das den Schaden verursacht hat, und dem Schadenereignis, also dem Folgeereignis, das den Schaden des Dritten und damit die Haftung des Versicherungsnehmers herbeiführt.

Da es sich hier bei den Schäden ausschließlich um Sachschäden und aus diesen abgeleiteten Vermögensschäden handle, liege der Versicherungsfall nach den Bedingungen im Schadenereignis und nicht im Verstoß, der zu Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers führt.

Versicherer haftet nur im Rahmen der übernommenen Gefahr

Nach den Feststellungen sei das Schadenereignis nach Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrags zwischen dem Bauunternehmen und dem beklagten Versicherer eingetreten; es lag damit außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des Versicherungsvertrags.

Zwar genieße der Geschädigte in der obligatorischen Haftpflichtversicherung zusätzlichen Schutz und der Versicherer bleibe im Rahmen des versicherten Risikos auch dann haftpflichtig, wenn im Verhältnis zum Versicherungsnehmer Leistungsfreiheit besteht.

Allerdings hafte ein Versicherer immer nur im Rahmen der übernommenen Gefahr, so der OGH. Örtliche, zeitliche und sachliche Grenzen der Gefahrenübernahme und damit auch vereinbarte Ausschlüsse würden auch gegenüber dem Dritten gelten.

Keine zeitlich unbegrenzte Deckung

Der Argumentation des Versicherungsnehmers, dass eine Deckungslücke entstehen könne, wenn der Verstoß während des aufrechten Versicherungsvertrags begangen wurde, das Schadensereignis aber erst nach Ende der Versicherungszeit eintritt, hält der OGH die Gesetzeslage entgegen.

Angeordnet werde die Pflichthaftpflichtversicherung für Bauunternehmen in § 99 Absätze 7 bis 9 der Gewerbeordnung; darin werde keine zeitlich unbegrenzte Deckung vorgesehen. Daher sei nur eine Haftpflichtversicherung „mit dem üblichen Deckungsumfang“ abzuschließen, betont der OGH.

Auch § 149 VersVG stelle allgemein auf „während der Versicherungszeit eintretende Tatsachen“ ab. Eine Unterscheidung zwischen freiwilliger und obligatorischer Haftpflichtversicherung werde dabei nicht vorgenommen.

Da das Schadenereignis erhebliche Zeit nach Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrags und der in der Gewerbeordnung vorgesehenen Nachfrist und damit außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des Haftpflichtversicherungsvertrags eintrat, hafte der Versicherer nicht.

Kein Deckungsanspruch aus der Bauwesenversicherung

In der vom Hausbesitzer für das Bauvorhaben abgeschlossenen Bauwesenversicherung bestehe während der Vertragsdauer am Versicherungsort Versicherungsschutz gegen unvorhergesehen eintretende Beschädigung, Zerstörung oder Verlust an versicherten Sachen, so der OGH.

Als Sachversicherung solle die Bauwesenversicherung die im Rahmen eines Bauprojekts zu erbringenden Leistungen während ihrer Entstehung schützen.

Inwieweit die auf die mangelhafte Isolierung durch das Bauunternehmen zurückzuführenden, lange nach Fertigstellung des Baus aufgetretenen Mangelfolgeschäden die versicherte Sache darstellen sollen, bleibe völlig offen. Ein Deckungsanspruch aus der Bauversicherung scheide daher aus.

Gedeckte und ausgeschlossene Ursachen

Auch die Leitungswasserversicherung ist eine Sachversicherung, betont der OGH. Den Versicherungsnehmer treffe dabei die Beweislast für das Vorliegen des Versicherungsfalles, der Versicherer dagegen müsse das Vorliegen eines Risikoausschlusses beweisen.

Allgemein werde vertreten, dass in Fällen, in denen der Schadenseintritt auf mehreren adäquaten Ursachen beruht, aber nur eine dieser Ursachen der versicherten Gefahr entspricht, ein Versicherungsfall vorliegt; Mitursächlichkeit der anderen Faktoren beseitige den Versicherungsschutz nicht.

Anders stelle sich die Situation dar, wenn eine gedeckte mit einer ausgeschlossenen Ursache konkurriere: in diesem Fall sei im Allgemeinen keine Deckung gegeben.

Erstgericht muss Feststellungen treffen

Im vorliegenden Fall sei eine Beurteilung des Versicherungsschutzes aus der Leitungswasserschadenversicherung allerdings noch nicht möglich, so der OGH.

Der Versicherungsnehmer lasse nämlich völlig offen, auf Grundlage welcher Regelung seines Versicherungsvertrags er Versicherungsschutz fordert und aus welchen Bedingungen eine Ersatzpflicht des Versicherers für die konkret geltend gemachten Leistungen folge.

Auch habe das Erstgericht erklärt, es könne nicht festgestellte werden, inwieweit die Schäden durch Niederschlagswasser, Schichtwasser oder austretendes Wasser aus der Gartenwasserleitung verursacht wurden.

Es sei daher nicht klar, ob aus der Gartenwasserleitung austretendes Wasser in irgendeiner Weise ursächlich für die geltend gemachten Schäden war. Der OGH hat diesbezüglich die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob94/24k vom 28. August 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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