7.1.2025 – Schäden am versicherten Fahrzeug sind von der Haftpflichtversicherung nicht gedeckt; da der Lkw und der Anhänger eine Betriebseinheit darstellen, müsse ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer Schäden am Anhänger als von der Versicherung ausgeschlossene Schäden des versicherten Fahrzeugs ansehen, so der Oberste Gerichtshof.
Die E. GmbH hatte für ihren Lkw einen Anhänger gemietet. Dieser geriet während einer Fahrt im Dezember 2022 in einer Kurve über den Fahrbahnrand, kippte um und wurde beschädigt.
Für den Anhänger besteht eine Bauwesenversicherung. Diese fordert von der E. GmbH einen Betrag von 17.708,40 Euro, darüber hinaus verlangt die Vermieterin des Anhängers weitere 8.727,76 Euro.
Die E. GmbH hat diese Beträge bisher nicht bezahlt und begehrt dafür in einer Klage Deckung durch den Haftpflichtversicherer des Lkw. Sie argumentiert, es liege ein haftpflichtversicherter Drittschaden vor.
Die E. GmbH verfügt für den Lkw über einen Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherungsvertrag, vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (AKHB 2015).
Demnach umfasst die Versicherung unter anderem die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs Sachen beschädigt werden.
Nicht versichert sind allerdings nach Artikel 8.2 AKHB 2015 Ersatzansprüche wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommen des versicherten Fahrzeugs und von mit diesem beförderten Sachen.
Der Haftpflichtversicherer steht auf dem Standpunkt, Lkw und der mit diesem verbundene Anhänger würden eine Betriebseinheit darstellen. Es liege daher kein Drittschaden vor, es greife der Risikoausschluss des Artikels 8.2 AKHB.
Das Erstgericht gab der Klage der E. GmbH statt. Der Schaden am Anhänger sei durch die Verwendung des versicherten Lkw entstanden, der Anhänger sei in der Haftpflichtversicherung bei der gegenständlichen Konstellation nicht mitversichert gewesen und auch nicht befördert worden.
Das Berufungsgericht wies die Klage dagegen ab, worauf sich die E. GmbH in einer Revision an den Obersten Gerichtshof wandte.
In seiner rechtlichen Beurteilung betont der OGH, dass Anhänger nach dem Kraftfahrgesetz Fahrzeuge, nicht aber Kraftfahrzeuge sind. Damit würden sie auch nicht den Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG) unterliegen.
Sie seien nach ihrer Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt, mit Kraftfahrzeugen auf Straßen gezogen zu werden. Dabei entstehe durch die Verbindung eines Anhängers mit einem Kraftfahrzeug eine Betriebseinheit, deren alleiniger Halter der Halter des Zugfahrzeugs ist.
Anhänger könnten daher nicht für sich allein, sondern nur als Teil der mit der Zugmaschine gebildeten Einheit in Betrieb sein. Vom Anhänger herbeigeführte Schäden seien deshalb ab der Verbindung mit dem Zugfahrzeug ausschließlich dessen Betriebsgefahr zuzurechnen.
Nach dem Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz (KHVG) bestehe für alle nach dem Kraftfahrgesetz zugelassenen Fahrzeuge die Verpflichtung zum Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung.
Anhänger seien nur dann selbständig versicherungspflichtig, wenn sie vom Zugfahrzeug getrennt sind. Trete ein Schaden aber zu einem Zeitpunkt ein, zu dem der Anhänger mit einem Kraftfahrzeug verbunden ist, treffe der durch den Anhänger verursachte Schaden die Versicherung des Zugfahrzeugs.
Auch in den AKHB werde die Versicherung von Anhängern geregelt. Diese umfasse mit wenigen Ausnahmen nur Fälle, die nicht mit dem Ziehen eines Anhängers durch ein Kraftfahrzeug zusammenhängen, so der OGH.
Laut einer Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs beziehe sich die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs auch auf den Anhänger; der Haftpflichtversicherer des ziehenden Fahrzeuges habe daher Schäden, die vom ziehenden Fahrzeug am Anhänger verursacht werden, nicht zu ersetzen.
Auch die deutsche Lehre vertrete die Auffassung, dass Anhänger eine Betriebseinheit mit dem Zugfahrzeug bilden und deshalb Schäden am Anhänger auch Schäden am versicherten Fahrzeug sind, so der OGH, der diese Rechtsauffassung teilt.
Bestehe zwischen Zugfahrzeug und Anhänger eine Betriebseinheit, so werde der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer Schäden am Anhänger also als Schäden des versicherten Fahrzeugs ansehen und damit als ausgeschlossen erkennen.
Damit sei der Risikoausschluss des Artikels 8.2 AKHB „Schaden an der versicherten Sache“ zu bejahen. Die Revision erwies sich nicht als berechtigt, der Versicherer ist leistungsfrei.
Die OGH-Entscheidung 7Ob174/24z vom 20. November 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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