25.10.2024 – Ältere Menschen stehen mitunter vor Schwierigkeiten, wenn sie Geld oder eine Versicherung brauchen, kritisieren Interessenvertreter. Das habe unter anderem mit einem „Zwang“ zur Digitalisierung zu tun, aber auch mit Hürden beim Produkterwerb an sich. Afpa-Obmann Michael Herzhofer wünscht sich auch mehr spezifisch auf ältere Kunden zugeschnittene Angebote. Auch eine staatliche Unterstützung für die private Vorsorge wäre gern gesehen, wurde beim Afpa-Marktdialog wieder deutlich.
Altersbedingte Diskriminierung beim Zugang zu Finanzdienstleistungen und Versicherungen – dieses Thema hatte Michael Herzhofer, Obmann des Verbandes der österreichischen Finanz- und Versicherungsprofessionisten (Afpa), im Frühjahr zu einem Tätigkeitsschwerpunkt für 2024/25 erklärt (VersicherungsJournal 14.5.2024).
Der jüngste „Afpa-Marktdialog“ am Donnerstag befasste sich nun genau damit. Eingangs stellte Herzhofers Vorgänger als Afpa-Obmann, Johannes Muschik, Ergebnisse aus einer Umfrage vor (lesen Sie dazu auch den Artikel „Das Versicherungsleben der ‚Best Ager‘“).
Peter Kostelka, Präsident des Pensionistenverbandes Österreich (PVÖ), forderte in der anschließenden Podiumsrunde eine „Beendigung der Altersdiskriminierung“ – die er in Österreich derzeit sogar eher im Zunehmen begriffen sieht.
Er macht dies an „digitalem Zwang“ fest. Die Inanspruchnahme von Rechten davon abhängig zu machen, dass der Umgang mit digitalen Technologien beherrscht wird, sei ein „absolutes Unding“ und letztlich eine „Form der Entmündigung“.
Kostelka stellte unter anderem auch die Frage in den Raum, warum beispielsweise ein Kfz-Versicherer von einem Kunden im Alter ab 70 Jahren einen 30-prozentigen Zuschlag verlange und ein Abschluss ab einem Alter von 75 Jahren überhaupt nur noch mit Genehmigung der Geschäftsleitung möglich sei.
Letzten Endes bedeute das für den Betroffenen die Verweigerung der Teilnahme am alltäglichen Wirtschaftsleben.
Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik in der Arbeiterkammer Wien, bestätigte, dass der „Zwang“ zum Umstieg auf Online-Banking zu Beschwerden von Konsumenten führe.
Ebenso rufe es Kritik hervor, wenn Filialen geschlossen werden und der nächste Bankomat weit weg ist.
„Die Menschen wollen Wahlfreiheit haben“, so Zgubic. Nicht auf alle Senioren treffe freilich zu, dass sie nicht digitalaffin wären.
Man dürfe aber auch Menschen höheren Alters, die zur Digitalisierung keinen Bezug haben, nicht übersehen und sie nicht alleine lassen.
Ein Mehr an Sicherheitsvorkehrungen, etwa durch Einführung einer „Zwei-Faktor-Authentifizierung“, bringe zwar mehr Sicherheit, es bringe aber auch mehr Komplexität.
Damit werde aber ein Teil der Kunden ausgeschlossen, fügte Zgubic hinzu und folgerte auch daraus: „Eine gewisse Mindestinfrastruktur von Offline-Dienstleistungen muss es geben.“
Wenn es im Versicherungsbereich Produkte gebe, die – siehe Umfrage – nur wenig Interesse hervorrufen wie die Pflegeversicherung, dann sollte man sich überlegen, ob es womöglich auch am Produkt liegt, meinte Zgubic. Denkbar wäre, dass die Leistung „nicht passt“ oder die Prämien zu hoch sind.
Überlegenswert wäre ihrer Ansicht nach auch, den Diskriminierungsschutz im Rahmen des VersVG zu erweitern.
In Anlehnung an die „Unisex“-Tarife könnte man unter Umständen auch Altersdiskriminierung explizit im Gesetz untersagen.
PVÖ-Präsident Kostelka denkt in eine ähnliche Richtung, würde eine Regelung aber auf verfassungsrechtlicher Ebene ansiedeln.
Anknüpfungspunkt wären nach seinem Vorschlag die Gleichheitsbestimmungen in Artikel 7 B-VG, die um das Kriterium „Alter“ ergänzt werden könnten.
Michael Herzhofer, Geschäftsführer der Secura GmbH und Afpa-Obmann, sagte, „Best Ager“ würden als Kundengruppe immer wichtiger, „es wird in Zukunft die wichtigste Kundengruppe sein“. Teils gebe es für sie aber keine entsprechenden Angebote.
Beispiel: Ältere Personen, die schlecht zu Fuß sind, könnten in der Rechtsschutzversicherung einen Baustein brauchen, der einen „Hausbesuch“ durch einen Rechtsanwalt beinhaltet. Er forderte die Produktgeber deshalb auf, den Vermittlern „die nötigen Produkte“ an die Hand zu geben.
Auch in der jüngeren Altersgruppe müsse angesetzt werden. Denn bestimmte Produkte wie Kranken- und Pflegeversicherung, die man später im Alter brauche, müsse man aus versicherungsmathematischen Gründen früh abschließen.
Herzhofer plädierte für steuerliche Anreize, um eine frühe und somit leistbare Vorsorge zu forcieren. Von der Politik wünscht er sich außerdem Entbürokratisierung. Der „bürokratische Druck“ bremse Berater dabei, Best Agern die Beratung zukommen zu lassen, die sie brauchen.
An die Versicherungsvermittler appellierte der Afpa-Obmann, „aktiver“ auf die Kundengruppe der Best Ager zuzugehen. Aus der Umfrage gehe hervor, dass knapp ein Viertel seit über zehn Jahren keine neue Versicherung abgeschlossen habe.
Für ihn deutet das auf Versicherungslücken hin. Schließlich gebe es immer wieder neue Produkte, mit denen Risiken besser abzusichern sind. Es gelte also zu prüfen, ob noch ausreichender Versicherungsschutz gegeben ist und ob es gegebenenfalls passende Produkte gibt.
Michael Miskarik, Niederlassungsleiter der HDI Lebensversicherung AG Österreich, betonte ebenfalls, es sei wichtig, so früh wie möglich mit der Vorsorge zu beginnen, „weil schlicht und ergreifend der Zeitfaktor durchschlägt“.
Was die Frage der Prämiengestaltung mit fortschreitendem Alter betrifft, meinte Miskarik: „Wir werden nicht teurer, es ist einfach das Risiko anders kalkuliert.“ Bei bei einer nur noch kurzen Restlaufzeit könne am Ende nichts mehr „zusammenkommen“. Dieser Umstand erschwere die Gestaltung spezifischer Seniorenprodukte.
Den Ruf nach staatlichen Förderungen unterstützt Miskarik. Den Österreicher sei bewusst, dass sie „etwas tun“ müssen. Es dann aber auch tatsächlich zu tun, sei ein anderes Thema. Deshalb: Einen Anreiz für die Vorsorge in der zweiten, dritten Säule, „das müssen wir uns leisten können – wir sind in Österreich“.
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