WERBUNG

Versicherer „bereit, sich ein Problem ans Bein zu binden“

19.11.2025 – Die Versicherungswirtschaft ist inzwischen jährlich mit erheblichen Natkat-Schäden konfrontiert, 2024 war ein Rekordjahr. Beim GVFW-Symposion in Graz haben Vertreter der Branche und von staatlicher Seite über Absicherungsoptionen sowie zu klärende Fragen gesprochen. Einen Impuls könnte auch ein aktueller Bericht des Rechnungshofs geben: Er empfiehlt, ein „geeignetes Versicherungsmodell“ zu installieren.

Grawe-Generaldirektor Klaus Scheitegel (li.) sprach in der Universität Graz mit (v.l.n.r.) Stephan Korinek (FMA), Wolfgang Petschko (Donau), Rupert Pichler (Hogo Reinsurance Broker), Peter Tschemer (Generali), Nadine Wiedermann-Ondrej (Finanzministerium) und Marc Olefs (Geosphere Austria) (Bild: Lampert).
Grawe-Generaldirektor Klaus Scheitegel (li.) sprach in der Universität Graz mit (v.l.n.r.) Stephan Korinek (FMA), Wolfgang Petschko (Donau), Rupert Pichler (Hogo Reinsurance Broker), Peter Tschemer (Generali), Nadine Wiedermann-Ondrej (Finanzministerium) und Marc Olefs (Geosphere Austria). Zum Vergrößern Bild anklicken (Bild: Lampert).

Von der Nachhaltigkeit (VersicherungsJournal 18.11.2025) ist es nicht weit zur Absicherung gegen Naturkatastrophen. Das Thema ist zwar nicht neu, stellt sich aber angesichts des Klimawandels und des zunehmenden Schadengeschehens mit ebenso zunehmender Brisanz.

Allein die versicherten Schäden sind in den vergangenen Jahren in Österreich über einer Milliarde Euro jährlich zu liegen gekommen. 2024 war mit 1,7 Milliarden Euro das bisher teuerste Jahr überhaupt (VersicherungsJournal 18.9.2025).

Eine Natkat-Versicherung ist bekanntlich seit Jahren im Gespräch. Zu einer Lösung ist es bislang nicht gekommen. Beim diesjährigen Versicherungswissenschaftlichen Symposion der Gesellschaft für Versicherungsfachwissen (GVFW) in Graz wurde erneut darüber gesprochen.

Public-private Partnership?

Nadine Wiedermann-Ondrej ist Leiterin der Gruppe III/C (Finanzmärkte und Finanzmarktlegistik) im Finanzministerium und Vorsitzende des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG).

Für sie stellt sich die Frage von Risiko und Versicherbarkeit von Naturkatastrophen auch als eine Frage der Finanzmarktstabilität dar. Jede Initiative der Privatwirtschaft sei willkommen und werde von den zuständigen Stellen im Finanz- und Justizministerium geprüft.

Nichtsdestoweniger gibt es auch Hürden, die bei Lösungen mit staatlicher Beteiligung zu bedenken sind, wie Wiedermann-Ondrej verdeutlichte.

Heikle Fragen

Sie umriss einige der Knackpunkte, etwa die Frage, welche Rolle der Staat bei einer Einbindung in einer öffentlich-privaten Partnerschaft einnimmt und ob er quasi wie ein Marktteilnehmer auftritt; oder ob vom Staat eher Förderungen erwartet werden, für die dann aber Förderrichtlinien nötig wären, womit sich die Frage stellt, inwieweit der Staat in die Produktgestaltung eingreifen würde.

Eine staatliche Beteiligung würde allenfalls auch bedeuten, dass Rückstellungen gebildet werden müssen, was wiederum etwas koste. Dann ist da auch noch die Frage des Föderalismus, weil Länderkompetenzen involviert sind; man berühre hier also auch den Finanzausgleich.

In Gesprächen zwischen Privatwirtschaft und Staat müssten demzufolge gemeinsam Optionen erarbeitet werden, um eine praktikable Lösung zu finden.

Wer vorsorgt, soll nicht bestraft werden

Stephan Korinek, in der Finanzmarktaufsicht (FMA) stellvertretender Bereichsleiter für Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht, sagte, die Versicherungswirtschaft könne ein Player in der Natkat-Absicherung sein.

Für eine ausgedehntere Risikoabdeckung werde man aber „ein gemeinschaftliches System“ brauchen. Wer privat vorsorgt, sollte nicht schlechter gestellt sein als jene, die nicht vorsorgen.

Versichern tendenziell herausfordernder

Wolfgang Petschko, Vorstandsdirektor der Donau Versicherung AG, stellte fest, bei gleichbleibenden rechtlichen Rahmenbedingungen werde die Versicherbarkeit von Natkat-Risiken der Höhe nach mit der Zeit schwieriger werden. Für die Kunden bedeute das eine tendenziell wachsende Herausforderung, ihr Hab und Gut abzusichern.

Petschko führte „permanente Werterhöhungen“ und die Zunahme klimatischer Herausforderungen als Gründe an. Schäden und Frequenzen veränderten sich, und auch das Risiko an ein und demselben Ort könne sich ändern: Beispielsweise könnten Gebiete, die es bislang nicht waren, in Zukunft hochwassergefährdet sein.

Der Prävention komme daher wesentliche Bedeutung zu, dies habe auch Auswirkungen auf die Versicherbarkeit.

Zuversichtlich zeigte sich Petschko, was den Spielraum für die Rückversicherung betrifft. In der klassischen Rückversicherung sei „noch einiges möglich“. Kapitalmarktorientierte Instrumente wiederum seien „sehr kurzfristig orientiert“.

Haltung der Versicherer „keine Selbstverständlichkeit“

Mit einer gewissen Kurzfristigkeit ist man allerdings auch in der Rückversicherung konfrontiert. Rupert Pichler, Client Manager beim Wiener Rückversicherungsmakler Hogo Reinsurance Broker, merkte an, Rückversicherer hätten den Vorteil, dass sie nur über eine Zeitspanne von einem Jahr entscheiden. Wenn sie sich danach nicht mehr engagieren wollen, könnten sie aussteigen.

Lob fand er für die heimische Versicherungswirtschaft: Sie habe es sich zur Aufgabe gemacht, eine bereitere Lösung anzustreben. Das sei keine Selbstverständlichkeit, denn sie „könnte es sich auch leicht machen“ und sich im Schadenfall auf die Zahlung von beispielsweise 4.000 Euro beschränken.

Dem Verdacht, dass die Branche aus einer Natkat-Versicherung Profit schlagen könnte, kann Pichler nichts abgewinnen. Vielmehr zeige sich die Versicherungswirtschaft bereit, „sich ein Problem ans Bein zu binden“, weil sie Deckungen einkaufen müsse, die es vielleicht ein Jahr später nicht mehr gibt.

Dass es denn tatsächlich einer staatlichen Förderung bedarf, ist für ihn keineswegs in Stein gemeißelt. Er könnte sich ein Modell vorstellen, das etwa an die gesetzliche Krankenversicherung angelehnt ist.

Der Beitrag der Versicherer und die Rolle des Staates

Peter Tschemer, Head of Reinsurance and Underwriting in der Sparte Schaden/Unfall bei der Generali Versicherung AG, sagte auf eine entsprechende Frage hin, man könne Risiken global anders verteilen, als wenn man nur innerhalb nationaler Grenzen agiert.

Insofern sei bei einer grenzüberschreitenden Herangehensweise „ein gewisser Ausgleichsmechanismus“ vorhanden. Ein Alleingang eines einzelnen Unternehmens wäre aus seiner Sicht allerdings „illusorisch“.

Vor der Podiumsdiskussion hatte Tschemer Modelle für eine Natkat-Lösung vorgestellt, darunter eine Pflichtversicherung gegen Hochwasser und Erdbeben als Annex zur freiwilligen Feuerversicherung und eine Einbindung des Staates als „Last Resort“-Rückversicherer.

Dem Staat schreibt Tschemer eine „unverändert zentrale Rolle“ im Hinblick auf Schadensvorbeugung und Krisenintervention zu. Österreich könne außerdem auf dem Hora-System aufbauen, das im Übrigen auch im Ausland Beachtung finde.

Österreich ein „globaler Hotspot“ des Klimawandels

Marc Olefs, Leiter der Klima-Folgen-Forschung bei Geosphere Austria, hatte ebenfalls bereits vor der Diskussion referiert. Dabei war er auf Entwicklung und Folgen des Klimawandels eingegangen. Unter anderem zeigte er den Verlauf der Erderwärmung.

So habe sich der Planet nach der letzten Eiszeit innerhalb von 10.000 Jahren um sechs Grad erwärmt, umgerechnet um 0,06 Grad pro Jahrhundert. Der derzeitige Klimawandel habe im Gegensatz dazu +3 Grad innerhalb von nur zwei Jahrhunderten bewirkt: +1,5 Grad pro Jahrhundert – und Österreich sei ein „globaler Hotspot“ mit überdurchschnittlich starkem Anstieg.

Gründe zur Hoffnung sieht der Klimaforscher dennoch: Schutzbauwerke zeigten Wirkung, und auch auf das Gelingen der Energiewende baut Olefs. Wichtig sei ein „Schulterschluss“ zwischen Wissenschaft und Versicherungswirtschaft, sagte er im Rahmen der Diskussionsrunde.

Impuls durch den Rechnungshof

Als „Steilvorlage“ betrachtet Olefs einen im Oktober erschienenen Bericht des Rechnungshofs (RH), in dem sich dieser mit Extremwetterschäden in Österreich befasst.

Nach Ansicht des RH wäre unter Beiziehung der zuständigen Ministerien, der Länder und weiterer Akteure „ein geeignetes Versicherungsmodell zur verbesserten Abdeckung von Schäden aus Extremwetterereignissen zu entwickeln und es wäre auf einen legistischen Entwurf hinzuwirken, mit dem Ziel einer angemessenen Entschädigung und zumutbarer Selbstbehalte“.

 
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
10.5.2023 – In ihrem Jahresbericht erläutert die Finanzmarktaufsicht die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit im Versicherungsbereich im Vorjahr, berichtet über Stresstests und Vor-Ort-Maßnahmen und betont den kollektiven Verbraucherschutz. (Bild: Cover: FMA) mehr ...
 
28.2.2025 – Das Regierungsprogramm im Versicherungs- und Vorsorge-Check: ein Blick auf für die Versicherungs- und Vorsorgebranche wesentlichen Punkte. (Bild: ÖVP/SPÖ/Neos) mehr ...
 
20.12.2024 – Der dritte und letzte Teil des Jahresrückblicks mit Ereignissen von September bis Dezember. (Bild: Zerbor/AdobeStock) mehr ...
 
25.11.2024 – Erstmals 2020 erschienen, hat die Finanzmarktaufsicht den Wegweiser, der sich unter anderem an Versicherer richtet, überarbeitet. Die Behörde lädt nun zum Kommentieren ein. (Bild: FMA) mehr ...