28.11.2025 – Es habe Mut gebraucht, die damalige österreichische Nürnberger zu übernehmen, aber es sei der strategisch richtige Schritt gewesen, sagt Merkur-Vorstand Markus Spellmeyer. Ziel sei es, in drei bis fünf Jahren der Spezialist für Personenversicherungen in Österreich zu sein. Der Standort Salzburg soll als Hub für die Lebensversicherung erhalten bleiben.

Die Lebensversicherung erlebte in den vergangenen Jahren schwierige Zeiten – das Niedrigzinsumfeld machte der klassischen Lebensversicherung das Leben schwer, die fondsgebundene litt unter Volatilitäten am Kapitalmarkt.
Die Zukunft der Personenversicherung und aktuelle Herausforderrungen standen deshalb im Zentrum eines Interviews des VersicherungsJournals mit Markus Zahrnhofer und Markus Spellmeyer im Merkur Campus, dem Headquarter der Merkur-Gruppe in Graz.
Vor allem Mut habe es gebraucht, in dieser Situation im Frühjahr 2022 die damalige Nürnberger Versicherung AG in Österreich zu übernehmen, betont Spellmeyer, Vorstandsmitglied der Merkur Versicherung AG.
Als ein „Pionier“ in der Sparte Krankenversicherung sei es die Strategie der Merkur gewesen, sich als „Personenversicherer“ in Österreich zu positionieren und kein Einspartenversicherer zu sein.
Man stand dabei vor der Entscheidung, die nötige Expertise selbst aufzubauen oder zu „schauen, was am Markt möglich ist“. Als sich dann dazu die Möglichkeit ergab, kaufte Merkur die Nürnberger – wie sich heute zeigt, ein „sehr guter und strategisch richtiger Schritt“, so Spellmeyer.
Damit habe man das Portfolio auf fondsgebundene Lebensversicherungen und biometrische Versicherungen erweitert, sodass „jetzt, nach drei Jahren, man am österreichischen Markt im Bereich der Personenversicherungen nicht mehr an uns vorbeikommt“.

Mit der Übernahme der Nürnberger habe die Merkur einen klaren Plan verfolgt, so Zahrnhofer, CEO der Merkur Lebensversicherung AG: Im Fokus standen dabei Kunden, Vertriebspartner und Service. Wichtig sei es gewesen, dafür das richtige Umfeld zu schaffen, das habe man „in geordnete Bahnen gelenkt“.
Und das wirke sich auch in der Realität aus, so Spellmeyer. So sei der Lebensversicherungsmarkt in Österreich von September des Vorjahres bis September 2025 um 3,2 Prozent gewachsen, die Merkur Lebensversicherung habe in diesem Zeitraum aber um 11,3 Prozent zulegen können.
Und im Neugeschäft habe man einen Zuwachs um 40 Prozent erzielt, wobei es bei Verträgen mit laufender Prämie sogar ein Plus von 50 Prozent gegeben habe. Zahrnhofer: „Der Markt wächst mit Einmalerlägen, wir auch mit laufender Prämie.“ Geholfen habe dabei aber auch der Weggang der HDI Leben.
Um die Zukunft der fondsgebundenen Lebensversicherung macht sich Zahrnhofer jedenfalls keine Sorgen. Denn die „demografische Bombe“ sei die beste Werbung: „Der Markt ist angerichtet.“
Angesichts der Unsicherheiten, die sich durch die Veränderung des Verhältnisses zwischen Beschäftigten und Pensionisten für die staatliche Pension ergeben, komme das Thema jetzt sukzessive auch an die Öffentlichkeit.
In Zukunft werde es in der Altersvorsorge deshalb aller drei Säulen bedürfen, ist Zahrnhofer überzeugt: „Man braucht etwas Individuelles“, und Merkur sei „stark in der dritten Säule“. Die klassische Lebensversicherung habe allerdings keine Zukunft, ergänzt Spellmeyer.
„Die Politik muss Tacheles reden und nicht alles schön färben“, betont Spellmeyer in diesem Zusammenhang. In Deutschland sei man bereits über seinen Schatten gesprungen und habe erklärt, dass die gesetzliche Rente nicht reichen werde und private Vorsorge nötig ist.
Für die Kommunikation in die breite Masse sei es nötig, dass die Politik den ersten Schritt macht. „Wir schieben den Stein an, ins Rollen bringen muss ihn die Politik“, sagt Zahrnhofer. Denn mit der österreichischen Mentalität, „es wird schon gehen“, werde es eng werden.
Im Bereich der Krankenversicherung sei man in Österreich dagegen schon ein Stück weiter, so Spellmeyer. Vor allem aber müsse es uns bewusst werden, dass wir uns mit unserem Gesundheitssystem im Schlaraffenland befänden.
Kritik äußert Spellmeyer daran, dass Wahlärzte hierzulande „frei sind, was die Rechnungslegung betrifft“: Es gebe keine Standards, andere Länder würden das dagegen „ordentlich regeln“. So könne es aber nicht weitergehen: „Auch wir als Versicherer müssen kalkulieren können.“
Die heimischen Versicherer hätten im Vorjahr 2,6 Milliarden Euro ausbezahlt und seien damit eine wichtige Stütze des gesetzlichen Systems. Die Ärztekammer verteidige die aktuelle Regelung, doch das sei nicht im Sinn der Allgemeinheit. Es sei deshalb „Zeit, dass alle an einen Tisch kommen“.
Und Zahrnhofer macht darauf aufmerksam, dass die Probleme ineinandergreifen: Es gehe auch darum, dass Menschen möglichst lange im Arbeitsmarkt bleiben können. Wichtig sei es, dass sie dafür auch selbst Verantwortung übernehmen.
Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung profitiere Merkur von der 30-jährigen Expertise, die unter Nürnberger-Flagge aufgebaut wurde, sagt Zahrnhofer. Sie sei „fixer Bestandteil unserer Strategie“, seit ihrer Überarbeitung im Vorjahr verzeichne man eine deutlich positive Entwicklung.
Nach wie vor besteht im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung in Österreich Nachholbedarf. Zahrnhofer betont, Merkur habe dies zum Thema gemacht, Geld in die Hand genommen und sie aktiv beworben.
Mittlerweile habe der Markt aber verstanden, „dass das ein Thema in Österreich ist“, auch andere Anbieter würden hier proaktiv agieren. „Wir sind froh, dass das auch andere verstanden haben“, ergänzt Spellmeyer und zeigt sich optimistisch: „Wir werden unser Stück vom Kuchen abbekommen.“
Für September 2026 ist die Verschmelzung von Merkur und Merkur Leben geplant. Zahrnhofer erwartet sich davon, dass sich der Konzern damit „noch stärker als Personenversicherer positionieren und weiterentwickeln kann“.
Einer der ersten Schritte in Richtung Fusion ist die geplante 100-Prozent-Übernahme der Vertriebsgesellschaft ME-GA GmbH (VersicherungsJournal 19.11.2025). Der Standort Salzburg werde jedenfalls erhalten bleiben, er soll „der Lebensversicherungs-Hub in der Merkur Gruppe sein“, so Spellmeyer.
Die Verschmelzung koste jetzt zwar Energie, sei aber ein „riesiger Schritt“. In drei bis fünf Jahren wolle man „der Spezialist für Personenversicherungen“ hierzulande sein. Aber auch der weitere Ausbau der Digitalisierung, das Gewinnen neuer Vertriebspartner sowie alternative Vertriebswege wie Bankassurance stehen auf dem Programm.
„Wir haben ein klares Bild davon, was wir erreichen wollen“, so Spellmeyer und Zahrnhofer abschließend. Beide freuen sich auf die nächsten Jahre: „Es gibt noch genug zu tun, langweilig wird uns nicht werden.“
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