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OGH: Ist Versicherer für Unterversicherung verantwortlich?

24.11.2025 – Die Hausbesitzer waren durch einen Versicherungsmakler vertreten, die Versicherungssumme in der Vorpolizze war deutlich niedriger und auch die im Verkaufsexposé genannten Werte boten für den Versicherer keinen Anlass, von einem höheren Wert der Liegenschaft auszugehen, so der Oberste Gerichtshof. Damit habe der Versicherer seine vorvertraglichen Pflichten nicht verletzt, die Klage der Hauseigentümer wurde abgewiesen.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Bei einem Brand in einem Mehrparteienhaus entstand ein Sachschaden von knapp 55.000 Euro. Der Feuerversicherer erklärte, es habe eine Unterversicherung vorgelegen und leistete nur einen Betrag von etwas mehr als 36.000 Euro

Die Eigentümer des Gebäudes verfügen über eine Feuerversicherung mit einer baukostenindexierten Versicherungssumme von 900.000 Euro; im Sachverständigengutachten nach dem Brand wurde der Versicherungswert mit 1.681.200 Euro bewertet.

Die Hauseigentümer reichten daraufhin Klage gegen den Versicherer ein, ihr Versicherungsmakler schloss sich als Nebenintervenient dem Verfahren an. Sie argumentieren, der Versicherer sei für eine allfällige Unterversicherung verantwortlich und habe vorvertragliche Schutz- und Aufklärungspflichten verletzt.

Vorinstanzen mit unterschiedlichen Entscheidungen

Das Erstgericht sprach den Hausbesitzern weitere rund 9.400 Euro zu. Obwohl diese durch einen Versicherungsmakler vertreten waren, wäre der Versicherer „zu einem allgemeinen, formelhaften Hinweis einer allfälligen Unterversicherung verpflichtet gewesen“.

Allerdings sah das Erstgericht ein Mitverschulden der Hausbesitzer: Sie müssten sich das pflichtwidrige Verhalten des Versicherungsmaklers, der als Fachmann zu ihrer Aufklärung verpflichtet gewesen wäre, anrechnen lassen.

Das Berufungsgericht dagegen wies die Klage ab; dem Versicherer sei keine Verletzung von Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten vorzuwerfen. Die Hauseigentümer wandten sich daraufhin in einer Revision an den Obersten Gerichtshof.

OGH zum Begriff der Versicherungssumme

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH einleitend auf den Begriff der Versicherungssumme ein. Diese werde von den Vertragsparteien im Versicherungsvertrag mit einem bestimmten Geldbetrag vereinbart, wobei es keinen gesetzlich festgelegten Mindestbetrag gibt.

Wenn zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadenfalles die Versicherungssumme niedriger ist als der Versicherungswert, so hafte der Versicherer nach § 56 VersVG für den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert.

Im vorliegenden Fall gehe es aber nicht darum, wer das wirtschaftliche Risiko einer Unterversicherung tragen muss, sondern darum, ob der Versicherer bei der Ermittlung der Versicherungssumme gegen vorvertragliche Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten verstoßen hat.

Vorvertragliche Pflichten

Zwar müsse ein Versicherer nicht überprüfen, ob das angebotene Versicherungsprodukt das Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers vollständig abdeckt, sehr wohl aber Fehlvorstellungen, die dieser über für ihn wesentliche Vertragspunkte äußert, richtigstellen, so der OGH.

Der Versicherungsnehmer müsse dabei die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar irrige Vorstellungen haben. Pflichtwidriges Verhalten liege insbesondere dann vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen noch bestärkt wird.

Gleichzeitig dürfe aber die Belehrungspflicht eines Versicherers oder seines Agenten nicht überspannt werden, auch erstrecke sie sich nicht auf alle möglicherweise eintretenden Fälle, betont der OGH

OGH zu den Pflichten des Maklers

Der hier als Nebenintervenient auftretende Versicherungsmakler, der der Sphäre des Versicherungsnehmers zuzurechnen ist, hatte die Pflicht, die Interessen der Versicherungsnehmer zu wahren, betonen die Höchstrichter.

Hauptaufgabe des Maklers als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens sei es, seinen Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen.

Versicherer hätten gegenüber einem Versicherungsmakler aufgrund dessen eigenen Fachwissens geringere Aufklärungspflichten als gegenüber unvertretenen Versicherungsinteressenten.

Keine Anhaltspunkte für höheren Wert

Im vorliegenden Fall habe der Versicherer aufgrund der ihm vorgelegten Unterlagen, vor allem der Vorpolizze mit einer deutlich niedrigeren Versicherungssummer sowie den im Verkaufsexposé angeführten Werten, davon ausgehen können, dass die Versicherungssumme von 900.000 Euro ausreiche.

Der Versicherer habe weder den Anschein erweckt, den Wert des Gebäudes mit einem Sachverständigen ermittelt zu haben, noch habe es für ihn Anhaltspunkte für einen höheren Wert der Liegenschaft gegeben.

Damit habe der Versicherer nicht gegen Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten verstoßen, selbst wenn er gewusst hat, dass die Hausbesitzer eine volle Deckung anstrebten. Außerdem bestehe gegenüber einem Versicherungsmakler keine Verpflichtung, die Bedeutung einer Unterversicherung zu erklären.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision daher zurück; die Beurteilung des Berufungsgerichts sei auf Basis der getroffenen Feststellungen nicht korrekturbedürftig.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob103/25k vom 22. Oktober 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Verkauf · Versicherungsmakler
 
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