OGH klärt Rechtsstreit nach Gebäudeeinsturz durch Schneedruck

3.11.2025 – Der Oberste Gerichtshof schloss sich der Ansicht der Vorinstanzen an. Die Halle sei aufgrund der statischen Überlastung durch Schneemassen eingestürzt, Instandhaltungsarbeiten am Gebäude hätten dies nicht verhindern können. Was die Wiederherstellungsklausel betrifft, betont der OGH, ein bindender Abschluss eines Kaufvertrags genüge, eine vollständige Bezahlung der wiederzubeschaffenden Güter sei nicht notwendig.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Am 10. Jänner 2019 stürzte auf einer versicherten Liegenschaft der R. GmbH das Dach einer Werkshalle zuerst teilweise und schließlich zur Gänze ein.

Für Sachschäden an Gebäuden und Betriebseinrichtung, Betriebsunterbrechung, Abbruchkosten und Warenvorräte fordert das Unternehmen von seinem Versicherer insgesamt neun Millionen Euro.

Der Versicherer leistete am 26. März 2019 eine Teilzahlung von 500.000 Euro. Am 27. Mai 2019 lehnte er die Versicherungsdeckung ab.

Als Gründe für die Ablehnung nennt er unter anderem fahrlässiges Verhalten, weil nicht für Schneeräumung und Absicherung des Gebäudes gesorgt worden sei, der Einsturz nicht durch das Risiko Schneedruck eingetreten und die Wiederherstellung nicht in der Frist von drei Jahren erfolgt sei.

Bedingungslage

Die R. Gmbh verfügt über einen „All-Risk-Versicherungsvertrag“, vereinbart sind unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 2017) und die Allgemeinen Bedingungen All-Risk Sach- und Betriebsunterbrechungs-Bedingungen (ABAR 2017).

Demnach sind Sachschäden an versicherten Sachen, die durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr sowie als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten, versichert.

Zu den versicherten Gefahren zählt nach Artikel 1.2.6 ABAR 2017 auch Schneedruck; dieser ist in den Bedingungen als „Kraftwirkung durch natürlich angesammelte ruhende bzw. abrutschende Schnee- oder Eismassen“ definiert.

Anspruch auf eine den Zeit- bzw. Verkehrswert übersteigende Entschädigung besteht nach Artikel 11.2 ABAR 2017 nur, wenn sie zur Gänze zur Wiederherstellung bzw. Wiederbeschaffung verwendet wird und diese binnen drei Jahren ab dem Eintritt des Schadenereignisses erfolgen.

Schneedruck als einzige Ursache

Nachdem Erst- und Berufungsgericht den Versicherer zur Zahlung von neun Millionen Euro samt Zinsen verpflichtet hatten, wandte sich der Versicherer in einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof.

Dieser erklärt, dass der Begriff „ruhende Schnee- oder Eismassen“ natürlich angesammelte und nicht in Bewegung geratene Lasten von Schnee und Eis als versicherte Gefahr erfasst. Sachschäden, die durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr eintreten, seien versichert.

Eine unmittelbare Einwirkung der Naturgewalt sei immer dann gegeben, wenn die versicherte Sache sofort in dem Zeitpunkt beschädigt oder zerstört wird, in dem die Einwirkung der Naturgewalt erfolgt, so der OGH.

Im vorliegenden Fall sei das Dach insgesamt aufgrund der statischen Überlastung durch die Schneelast kollabiert. Dies sei die einzige Ursache für den Schaden gewesen, es sei nicht festgestellt worden, dass Instandhaltungsarbeiten am Gebäude notwendig gewesen wären, die einen Einsturz verhindert hätten.

Strenge Wiederherstellungsklausel

Der Ansicht des Versicherers, der den Ersatz des Zeitwerts bzw. Zeitwertschadens übersteigende Restanspruch auf den Neuwert sei aufgrund der Wiederherstellungsklausel des Artikels 11.2 ABAR 2017 nicht fällig, widerspricht der OGH.

Die hier vereinbarte strenge Wiederherstellungsklausel bei der Neuwertversicherung stelle eine Risikobegrenzung dar und soll verhindern, dass Versicherungsnehmer die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden.

Wann die Verwendung gesichert ist, hänge aber von den Umständen des Einzelfalls ab; eine 100-prozentige Sicherheit könne nicht verlangt werden. Es genüge, dass angesichts der getroffenen Vorkehrungen kein vernünftiger Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung besteht.

Im vorliegenden Fall sei das Gebäude bis November 2021 wiederhergestellt worden; weiters habe die R. GmbH am 6. März 2020 einen Kaufvertrag über den Ankauf von Ersatzmaschinen abgeschlossen.

Wiederherstellung ausreichend gesichert

Entgegen der Ansicht des Versicherers sei es nicht nötig, dass die im Kaufvertrag vereinbarten Zahlungspflichten vollständig erfüllt sein müssten. Bei Abschluss eines bindenden Vertrags sei die Wiederherstellung auch schon vor vollständiger Erfüllung der jeweiligen Vertragspflichten ausreichend gesichert.

Der Versicherer habe im erstinstanzlichen Verfahren die Annahme geäußert, die vereinbarte Anzahlung sei nicht geleistet worden, weshalb die Wirksamkeit des Vertrags in Frage stehe. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass dies kein ausreichend konkretes Vorbringen sei, sei nicht korrekturbedürftig.

Da darüber hinaus der Wert der Maschinen zum Schadenzeitpunkt dem Neuwert entsprochen hat, bestehe ohnehin kein Restanspruch auf den Neuwert, so der OGH. Und was das Gebäude betrifft, übergehe der Versicherer die Feststellung, dass dieses bereits wiederhergestellt wurde.

Der OGH hat die Revision daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob126/25t vom 25. September 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Betriebsinhalt · Elementarschaden · Sachversicherung
 
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